Kinder von 1956
Wir haben es tatsächlich geschafft. Kaum zu glauben, aber es
ist so.
Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft, speziell was der
Gesetzgeber und die Bürokraten, die Medien und die Informationsgesellschaft
uns täglich vorbeten und verbieten, müssten wir alle, die in den Sechzigern
bis Anfang der Achtziger aufgewachsen sind, längst tot sein.
Unsere
Kinderbetten waren mit bleihaltigen Farben bemalt und Formaldehyd sickerte
aus jeder Pore. Ganz zu schweigen vom Tapetenleim, dem Kleber des Linoleums
oder den PVC-Dämpfen des Stragula. Wasserfeste Filzstifte hatten
Ausdünstungen die benebelten und wer erinnert sich noch an den leicht
salzigen Geschmack des abzuleckenden Tintenkillers? Steckdosen,
Medizinflaschen, Schranktüren und Schubladen waren noch nicht
kindersicher. Messer, Schere, Gabel und Licht wurden uns zwar verboten,
aber meistens müssten wir uns erst einmal daran verletzten um es zu
glauben.
Unsere Fahrräder, Roller und Rollschuhe fuhren wir ohne Schützer
und Helme. Die Risiken per Anhalter in den nächsten Ort zu fahren waren uns
unbekannt!
Zum Thema Auto erinnere ich mich weder an einen
Sicherheitsgurt, noch an Airbags, ABS oder ähnliche Sicherheitsvorrichtungen
im Wagen meines Vaters. Man saß zwar hinten, aber an einem heißen Sommertag
gab es doch nichts schöneres als seinen Kopf aus dem Fenster (das man damals
noch komplett runterkurbeln konnte) des fahrenden Autos zu stecken und sich
den Fahrtwind ins Gesicht blasen zu lassen, dass man kaum noch Luft
bekam.
Wasser haben wir direkt aus dem Gartenschlauch getrunken und nicht
aus einer Flasche. Wahnsinn! Wir aßen fettige Schmalznudeln und
frischgebackenes Brot mit fingerdick Butter drauf, dazu gab es
überzuckerte Limonaden oder künstlich gefärbtes Tri Top. Fett geworden
sind wir deswegen nie, weil wir immer draußen waren. Wir haben zu fünft
aus einer Limoflasche getrunken und es ist tatsächlich keiner daran
gestorben.
Wir haben stunden- und tagelang an Seifenkisten oder
ähnlichen Gefährten geschraubt, die wir aus rostigem Schrott und
splitterigem Holz konstruiert hatten. Dann sind wir den Hügel damit
runtergebrettert nur um festzustellen, dass wir die Bremsen vergessen
hatten. Nachdem wir ein paar Mal in der Böschung gelandet waren, haben wir
gelernt auch dieses Problem zu lösen. Wir gingen in der Früh raus und haben
den ganzen Tag gespielt, u.a. Fußball bis man diesen nicht mehr richtig
sehen konnte.
Wir waren nicht zu erreichen. Keine Handys! Wenn es regnete
spielten wir bei Freunden Monopoly oder Mensch ärgere dich nicht, Mühle oder
Dame und bauten mit Matchbox Autos ganze Städte auf. Wir hatten weder
Playstations oder Nintendo, X-Boxen oder Videospiele, keine PCs, keine
50 Fernsehkanäle oder Surround Anlagen. Ins Kino zu gehen war ein
Ereignis, für das man sich herausputzte und das einem vor Vorfreude den
Magen kribbeln ließ. Es gab noch Vorfilme, die immer eine Überraschung
waren, weil keiner wusste was zu erwarten war und wenn zufällig ein
Donald Duck oder Micky Maus Film dabei war, hatte man das ganz große Los
gezogen.
Wir hatten Freunde! Wir gingen raus und haben uns diese
Freunde gesucht. Wir haben Fußball gespielt mit allem was sich kicken ließ
und wenn einer einen echten Lederball hatte war er der King und durfte immer
mitspielen, egal wie schlecht er war. Um im Verein mitspielen zu dürfen
gab es Aufnahmeprüfungen, die nicht jeder bestanden hat. Wer es nicht
geschafft hat, lernte mit der Enttäuschung umzugehen. Wir spielten
Völkerball bis zum Umfallen und manchmal tat es weh, wenn man abgeworfen
wurde.
Wir sind von Bäumen und Mauern gestürzt, haben uns
geschnitten, aufgeschürft und haben uns Knochen gebrochen und Zähne
ausgeschlagen. Wir hatten Unfälle! Es waren einfach Unfälle an denen wir
Schuld waren. Es gab niemanden, den man dafür verantwortlich halten konnte
und vielleicht sogar noch vor den Kadi zerrte. Wer erinnert sich noch an
Unfälle? Unsere Knie und Knöchel waren von Frühjahr bis Herbst lädiert
und ein Schienbein ohne blaue Flecke gab es nicht. Wenn wir uns an
Brennnesseln gebrannt haben, oder uns eine Mücke gestochen hatte, haben
wir entweder drauf gespuckt, oder den Nachbars Hund drüber lecken lassen
oder drauf gepinkelt. Geholfen hat alles.
Wir haben gestritten und
gerauft, uns gegenseitig grün und blau geprügelt und gelernt damit zu leben
und darüber weg zu kommen. Wir haben Spiele erfunden mit Stöcken und Bällen,
haben mit Ästen gefochten und Würmer gegessen. Und obwohl es uns immer
wieder prophezeit wurde, haben wir kaum ein Auge ausgestochen und die Würmer
haben auch nicht ins uns überlebt. Wir sind zu einem Freund geradelt, haben
an der Tür geläutet und sind dort geblieben nur um mit ihm zu reden. Manche
Schüler waren nicht so schlau wie andere, also haben sie eine Klasse
wiederholt. Sie sind nicht durchgefallen, sondern wurden von den Lehrern
einfach zurückgestuft. Zensuren bei Proben wurden nie manipuliert, egal aus
was für Gründen.
Auch ich wurde einmal 18 Jahre alt
Wir waren für unsere Aktionen selbst verantwortlich.
Konsequenzen waren immer zu erwarten, wenn wir Scheiße gebaut hatten. Der
Gedanke, dass ein Elternteil uns rausklopft wenn wir mit dem Gesetz in
Konflikt geraten waren, war undenkbar. Im Gegenteil, die Eltern stellten
sich auf die Seite des Gesetzes. Stellen Sie sich das einmal vor! Unsere
Generation hat einige der größten Unternehmer und Erfinder hervorgebracht.
Die letzten 50 Jahre waren eine wahre Explosion an Innovationen und Ideen.
Wir hatten Freiheit und Zwang, Erfolg und Misserfolg, Verantwortung und
Konsequenz. Und wir haben gelernt damit umzugehen.
Erinnere Dich
daran, wie Du aufgewachsen bist und Du wirst sehen, was unseren Kindern
heute fehlt. Als die Eltern einmal ein Auge zudrückten, anstatt die Kinder
mit übergroßer Vorsicht zu erdrücken. Unsere Eltern trauten uns zu die
richtigen Entscheidungen zu treffen. Meistens hat es geklappt. Die paar Mal,
die daneben gingen zählen wir zu unseren Lebenserfahrungen.
Gib diesen Text gern an alle weiter die du kennst, die sich auch zu dieser glücklichen
Generation zählen dürfen, als Kinder noch Kinder waren und noch keine
Anwälte mit Schadensersatzklagen und Regierungen mit kinderfeindlicher
Politik unseren Alltag bestimmten.
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